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Warum auf der Hochzeit zu Kanaan Würste verschwand

Warum auf der "Hochzeit zu Kanaan" in Friedberg die Würste verschwanden.
Dass Lausbuben auch schon vor hundert Jahren Lausbuben waren, zeigt folgende ergötzliche Geschichte aus jener Zeit.
Die Ziegler-Brauerei in Friedberg war damals im Besitz einer alteingesessenen Familie, den Vorfahren eines langjährigen Bürgermeisters dieser Stadt.
In jener Zeit, also vor mehr als hundert Jahren, stand alljährlich die große Weihnachtskrippe, vom Mesner prächtig aufgebaut, im Glockenhaus der Stadtpfarrkirche, gegenüber der Sakristei. Hier hatten die Kinder Friedbergs jederzeit Zutritt, um den Szenenwechsel gemäß dem Ablauf der biblischen Geschichte verfolgen zu können.
Bald nach Heilig-Drei-König kam die Hochzeit zu Kanaan zur Aufstellung. Hier nahmen Neugierde und Staunen bei den Kindern kein Ende, waren doch richtige Törtchen, Brötchen und Würstchen auf den Tellern und echtes Bier und echter Wein in den winzigen Gläschen. Den ganzen Bedarf für die Hochzeitstafel zu liefern, war nach altem Brauch und Herkommen das Vorrecht der Wirtin vom Zieglerbräu. In der Brauerei wurde regelmäßig geschlachtet, füllten doch damals noch Knechte und Mägde die Gesindestuben und hungrige Gäste die Gaststuben. War nun die "Hochzeit zu Kanaan" nahe, wurden für die Krippe eigens die kleinen Würstchen abgebunden, zwei bis drei Dutzen gefüllt mit bestem Brät.
Die drei munteren Wirtsbuben Matthias, Max und Josef verfolgten gespannt das Tun der Mutter, waren doch bislang noch jedes Jahr einige Würstchen zum Versuchen abgefallen.
"Dieses Jahr gibt's nichts", erklärte jedoch diesmal die Mutter, "es ist nichts übrig geblieben." Enttäuscht schlichen die drei davon, "So", brummte zornig Matthias, der Älteste, "wenn wir nichts von unseren Würsten bekommen, dann braucht die Kanaaner Hochzeit auch keine Würste von uns."
Aber wie konnte man das verhindern? Da schlich gerade der Bräuhaus-Kater vom Zieglergässchen herein. Er nahm schnell Reissaus, denn er hatte mit den Dreien noch wenig gute Erfahrung gemacht. "Ich weiß was", schrie Max, "der Kater!"
Am Nachmittag des nächsten Tages wurde der Kater mit List gefangen. Er kam in einen Deckelkorb und mit der unschuldigsten Miene, als gingen sie zum Einkaufen, machten sich die drei hinüber zur Pfarrkirche. Josef bewachte die Türe, Max hielt den Korb und Matthias, als Grösster, setzte den Kater vorsichtig über das Gitter, mitten unter die stumme Hochzeitsgesellschaft. Die drei Übeltäter schlossen schnell von außen die Kirchentüre und machten sich schadenfroh auf den Heimweg.
Der Kater machte ganze Arbeit. Er verzehrte nicht nur die Würstchen, kostete von den Törtchen, sondern warf auch Tische und Stühle samt den Hochzeitsgästen um, Krüge und Becherlein verschütteten ihren Inhalt auf den Boden. Und da sich mit vollem Bauch gut ruhen lässt, legte sich der Missetäter schnurrend mitten in das angerichtete Unheil.
Als der Pfarrmesner ahnungslos den Krippenraum betrat, stutzte er über die Unordnung. Da sauste im gleichen Augenblick eine schwarze Katze aus der Krippe heraus, an ihm vorbei. Den Kater kannte er wohl. War das nicht der Bräuhaus-Kater gewesen? Ihm dämmerte, wer wohl den Kater mitten in die Hochzeit, unter Gäste und Würste gesetzt hatte. Als er dann abends seinen Verdacht im Bräuhaus äußerte, nutzte den dreien das Leugnen gar nichts. Drei Stunden mussten sie im dunklen Bierkeller über ihre dunkle Tat auf der Hochzeit zu Kanaan in Friedberg nachdenken.

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Eigenschaften

Karl Christl und Franz Xaver Riedl, Sagen und Erzählungen aus dem Landkreis Aichach-Friedberg, Aichach 1988
Verfasser bzw. ErfasserKarl Christl und Franz Xaver Riedl
BezugFriedberg
kurze InhaltsbeschreibungGeschichte von Friedberger Lausbuben

Gemeinde & Adresse

Gemeinde: Friedberg


86316 Friedberg

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