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Jungfer Kümmernis von Kissing

Auf dem sog. "Badanger" an der Bahnhofstraße steht eine von drei Linden beschattete Kapelle "Zu den sieben Zufluchten". An der Südwand hing einst das geschnitzte und bemalte Bild der bebarteten heiligen Kümmernis oder Wilgefortis am Kreuz, die Königskrone auf dem Haupte. Der linke Fuß ist mit rotem Strumpf und goldenem Pantoffel bekleidet, während der rechte Fuß entblößt ist. Die Gestalt trägt ein blaues Ärmelgewand. Über die Entstehung und Bedeutung des Bildnisses erzählt eine Legende:
Die heilige Wilgefortis war eine wunderhübsche Königstochter, welche ihrer Schönheit wegen viel umworben wurde. Dies betrübte jedoch die Prinzessin, die ohne Wissen ihrer Eltern Christin geworden war. Der Vater aber wollte sie einem heidnischen König zur Frau geben. Wilgefortis aber weigerte sich, den heidnischen König zu heiraten. Darüber ergrimmte der Vater und warf sie ins Gefängnis. Wilgefortis bat den gekreuzigten Heiland, ihre Schönheit zu verderben. Kaum war dieser eigenartige Wunsch ausgesprochen, so vernahm sie eine Stimme: "Wohlan, du sollst mir gleichen!" Ihr weibliches Angesicht verwandelte sich in ein männliches mit stattlichem Bart. Als sie wieder vor ihren Vater trat, wurde derselbe bei ihrem Anblick furchtbar zornig. Unaufhörlich bestürmte er sie mit Fragen, bis sie ihm endlich alles gestand. "Du sollst noch mehr deinem gekreuzigten Gott ähnlich werden!" rief er in seinem schrecklichen Zorn. Sofort wurde sie auf seinen Befehl in eine grobe Kutte gehüllt und mit der goldenen Krone und den goldenen Schuhen an ein Kreuz genagelt. Nach drei Tagen starb sie unter unsäglichen Schmerzen.
Zur selben Zeit zog ein armer Geiger des Weges, dessen Weib und Kinder zu Hause am Verhungern waren. Als er die Gekreuzigte sah, ergriff ihn tiefes Mitleid. "Wenn du gute Prinzessin noch lebtest", dachte er, "dann gäbe sie mir zur Linderung meiner Not gewiss einen ihrer goldenen Schuhe." Um seine traurige Lage ein wenig zu vergessen, fing er unter dem Kreuze zu geigen an. Während er den Saiten die ernsten Weisen entlockte, löste sich ein goldener Schuh vom Fuß der Gekreuzigten und fiel zur Erde. Der Geiger hob den Schuh auf und trug ihn die Stadt, um ihn zu verkaufen. Doch dort wurde er als vermeintlicher Dieb ergriffen und vor den König geführt, der ihn dem Henker übergab.
Auf dem Wege zur Richtstätte erbat sich der Arme die Gnade, noch einmal vor dem Kreuze spielen zu dürfen. Der König gewährte die Bitte und sprach: "Wenn die Prinzessin auch den anderen Schuh fallen läßt, will ich dir nicht nur verzeihen, sondern sogar selbst Christ werden." Kaum hatte der Geiger mit dem Spiel begonnen, da fiel auch der zweite Schuh zur Erde. König und Volk wurden durch das Wunder tief ergriffen und nahmen das Christentum an. Um seine Schuld zu sühnen, erbaute der König eine Kirche und stellte darin das Bildnis seiner Tochter in Gold auf. Unter dem Volk herrscht seit Jahrhunderten der Glaube, wer in großer Not und Kümmernis sich an die Prinzessin Kümmernis vertrauensvoll wendet, dem werde geholfen werden wie jenem Geiger.

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Eigenschaften

Karl Christl und Franz Xaver Riedl, Sagen und Erzählungen aus dem Landkreis Aichach-Friedberg, Aichach 1988
Verfasser bzw. ErfasserKarl Christl und Franz Xaver Riedl
BezugKissing, Badangerkapelle, Darstellung des Volto Santo.
kurze InhaltsbeschreibungDie Legende berichtet von der heiligen Königstochter Wilgefortis

Gemeinde & Adresse

Gemeinde: Kissing


86438 Kissing

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