Ein merkwürdiger Traum - Kissing

Ungemein zahlreich sind die Sagen über "Todes-Anzeichen" aus der Zeit des zweiten Weltkrieges. Dafür eine selbst erlebte Geschichte, die eine Kissingerin erzählte:
Am 27. Mai 1942 hatte Dora St. gegen halb sechs Uhr früh einen merkwürdigen Traum. Sie sah sich als junges Mädchen mit ihren Mitschülern im Klassenzimmer sitzen. Ein Schulkamerad, mit dem Dora sehr gut befreundet war, blickte sie sehr bekümmert an, so dass sie zu ihm sagte: "Komm, Sepp, schaug net so. Ich bet' für dich, dann werd ja alles wieder gut." Der Sepp aber antwortete: "Für mich brauchst nicht beten! Bet' fürn Hans!" Erschrocken antwortete sie: "Des kann ich net! Des kann ich net!" wandte sich um und blickte auf einmal in das bleiche, traurige Gesicht ihres Bruders Hans, der in der letzten Bank saß.
Dora wachte auf und hatte noch die Worte, die sie im Traum gesprochen hatte, im Ohr. Sofort stieg sie aus dem Bett, kleidete sich eilends an und sprach zu ihren Geschwistern in der Wohnstube unten: "Jetz is der Hans g'fall'n!"
Ihr Bruder war mit seinen 25 Jahren Offizier beim Stab und stand damals mit seinem Heer bei Charkow. Dora's Geschwister schimpften und taten solche komischen Träume als Hirngespinste ab: "Das bildest du dir doch bloß ein!" Am nächsten Tag kam eine Feldpostkarte: Es gehe ihm gut. Und er freue sich auf einen baldigen Heimaturlaub.
Trotzdem, Dora blieb dabei: Er ist gefallen.
Die junge Frau, damals eine gefragte Störschneiderin, fuhr nach Augsburg und erzählte den Kunden ihren mysteriösen Traum. Aber auch bei ihnen fand sie keinen rechten Glauben für ihre Geschichte. Jeder sprach dagegen und lächelte über sie. Sie aber war felsenfest überzeugt.
Drei Wochen später kam die Nachricht: Hans St. war am 27. Mai 1942 morgens gegen 5.30 Uhr in Charkow bei einem Ausbruchversuch für das Vaterland gefallen.