Zehn Vater Unser der Armen Seele - Merching

Eines Tages verschied ein angesehener und reicher Bauer aus Merching eines plötzlichen und unnatürlichen Todes. "Vui Leut warn da. Und vor Kränz' hat er kriagt."
Gleich neben der Anna-Kapelle hat man ihn begraben. "A scheene Leich hat er g'habt," flüsterten und wisperten die Kirchgänger. Aber warum er eigentlich gestorben ist, war nicht zum Herauskriegen. "Der muass bestimmt umgeh"', meinte eine Bäuerin, "weil all's gar aaso merkwürdig war, wiara g'storb'n is."
Einige Wochen nach der Beerdigung kam die Bauerswitwe zum Pfarrer: "Herr Pfarrer, i halt's nimmer aus!" Der geistliche Herr bot der leidgeprüften Frau einen bequemen Platz auf dem Sofa an. "Bäuerin, red't dich ruhig aus! Was gibt's denn?" ermunterte er. Ja, und dann erzählte sie, dass der verstorbene Bauer ihr jede Nacht in gräulicher Vision erscheine. "Jede Nacht! Stelln'S Eahna des vor, Herr Pfarrer", jammerte sie. "I kann überhaupt nimmer schlaf'n. Wenn's Nacht werd, kriag i schon meine Zuaständ. I halt's nimmer aus. Was soll i bloß mach’n?" weinte die arme Frau. Der geistliche Herr nickte sorgenvoll mit dem Kopf und machte ein bedenkliches Gesicht: "Vielleicht hat sei arme Seel' noch koa Ruah g'fund'n?" Zweifelnd blickt die arme Bäuerin ihrem Pfarrherrn ins Gesicht: "Moanan'S, Herr Pfarrer?" Schließlich gab er ihr doch einen Rat: "Pass auf, Bäuerin. Jetzt gehst in die Anna-Kapell'n und bet'st fürn Bauer zehn Vaterunser und stiftst eahm a scheene dicke Kerz'n." Das versprach die Bäuerin gerne und dankte dem Herrn Pfarrer mit einem herzlichen Vergelt's Gott. Noch am gleichen Tag erfüllte sie ihr Versprechen.
Seitdem hatte die Bauerswitwe wieder eine ruhige Nacht und die Arme Seele des Bauern ihre ewige Ruh.