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Der Fluch der Zigeunerin

Der Bäckerberg bei Adelzhausen ist ein weithin markanter Hügel, 512 Meter über dem Meere, und schon zur Römerzeit soll hier ein Wachtturm an der Ochsenstraße (Augustusstraße) gestanden sein, die von Augsburg über Heretshausen nach Petersberg führte. Von diesem Bäckerberg berichtet die Sage:
Auf dem Bäckerberg lebte vor vielen Jahrhunderten ein Burgherr, der in den Wäldern leidenschaftlich den edlen Hirsch jagte und das Wildschwein hetzte, prunkvolle Feste feierte und Freude an großen Gelagen hatte.
Am gleichen Tage, an dem er wieder mit seinen Freunden auf der Burg schmauste, zog eine alte, dürre Mähre einen Planwagen ins Dorf. Darauf hockten halbnackte, schwarzhaarige Kinder und schauten neugierig in die Welt. Nebenher schritt ein Mann mit vielen Flecken an der Hose, der den Gaul mit Geschrei und der Peitsche vorwärts trieb. Hinterher ging eine hagere Frau mit einem weiteren Kind an der Hand. Unten am Burgberg hielt das armselige Gefährt unter einer Eiche. Der Mann schirrte das Pferd aus und ließ es auf der Wiese grasen. Ein Kind lief sogleich in die Häuser des Dorfes und bat um Kessel und Häfen, die der Kesselflicker, denn ein solcher war sein Vater, wieder richten wollte. Zugleich bettelte der Kleine Brot, Eier und Fett. Seine Mutter aber stieg mit einem Kind den Burgberg hinauf. Sie traten ungehindert durchs Tor ein. Niemand hielt das Zigeunerweib auf. So stieg es die Treppe empor und lehnte sich an den Türpfosten des Rittersaales.
An langen Tischen saß der Burgherr mit den Rittern und Edelfrauen der Umgebung. Eben hob der Ferchenburger den Humpen edelsten Weines, der Holzburger und Eisenhofener schnitten sich ein Stück von einer Hirschkeule und das dröhnende Lachen des Erichsburgers erfüllte den Raum. Ein fahrender Sänger spielte auf der Laute und sang dazu: "Welcher Schütz zielt immer und trifft nie und was lernt ein Mädchen ohne Müh?" Schier bersten wollte der Burgherr, als der Sänger die Antwort gab: "Der Bogenschütz am Himmel zielt immer und trifft nie und lieben lernt ein Mädchen ohne Müh." Die Stimmung wurde immer lauter und die Lustbarkeit schlug ständig höhere Wogen. Die Kesselflickerfrau stand lautlos an der Tür und schaute sich vor Hunger fast die Augen aus. Niemand beachtete sie. Die Edelknaben trugen neue Schüsseln herein, auf denen knusprige Hühner, Gänse und Wildenten lagen. Auf zinnernen Platten duftete der Braten von Wildschwein, Kalb und Reh.
Endlich wurden die Tafeln abgedeckt und die Tische aus dem Saale getragen. Dafür flöteten nun die Spielleute, jauchzten die Geigen und im geschlossenen Kreise wurde von den Paaren der Reigen gesprungen. Da fing das hungrige Kind zu schreien an und bat die Mutter: "Mutter, gib mir nur ein Stück Brot! Ich habe Hunger." Da bemerkten sie die Burgadelzhauser und sie warfen ihnen Knochen zu, die die Hunde übrig gelassen hatten. Hierauf brüllte er: "Wie kommt das Bettelvolk herein? Raus mit ihm!"
Zwei Knechte fassten die beiden und zerrten sie aus der Burg. Wie sie den Burgberg herabstiegen, schallte ihnen die Musik und die ausgelassene Fröhlichkeit nach. Die Kesselflickerin blieb stehen, erhob den mageren Arm und drohte mit der Faust zur Burg. Mit kreischender Stimme tat sie einen fürchterlichen Fluch: "Wenn der Hahn auf den Turm fliegt und dort oben kräht, soll es mit den Festlichkeiten und euch allen ein Ende sein!" Am kommenden Morgen war der Wagen mit den Kesselflickern verschwunden. Niemand wusste, wohin sie gezogen waren. Nur eine Brandstelle auf der Wiese zeigte den Platz, an dem sie ihr dürftiges Mahl bereitet hatten.
Nicht lange danach kam eine stockdunkle Nacht. Mond und Sterne verbargen sich hinter schwarzen Wolkenmauern. Der Wind klapperte unheimlich an den Türen und Fenstern der Burg. Erschrocken flatterten einige Vögel, die an den Nischen des Gemäuers nisteten, auf und suchten das Weite. Eine junge Dirne, die dort oben im Dienst stand, schlich sich aus dem Tor und wollte zu ihrer kranken Mutter. Auf einmal hörte sie den Hahn oben auf dem Turm der Burg dreimal krähen. Mit Donner und Krachen sank die Ritterburg mit allem, was darin war, in die Tiefe. Da band das Mädchen sein Halstuch noch fester und jagte bebend heim in die armselige Hütte ihrer Eltern.
Wo die Burg den Berg krönte, wurzelten am nächsten Tage Sträucher und Bäume. Aus dem Gestrüpp kroch in seltenen Formen und Gestalten milchiger Nebel. Die Blätter der Bäume tränten und raunten, dass es wie leises Weinen und Klagen tönte. Jedes Jahr in der Nacht, in der die Burg in die Erde sank, hört man den Hahn in der Tiefe des Bodens krähen, aber nur ein Sonntagskind vernimmt ihn und kann den Schatz dort unten in der Erde heben. Bis heute ist dies noch keinem Menschenkind gelungen.

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Eigenschaften

Karl Christl und Franz Xaver Riedl: Sagen und Erzählungen aus dem Landkreis Aichach-Friedberg, Aichach 1988
Anmerkung
Entstehung
Verfasser bzw. ErfasserKarl Christl und Franz Xaver Riedl
Bezug
kurze InhaltsbeschreibungDie Sage berichtet vom Untergang der Burg auf dem Bäckerberg bei Adelzhausen.
Entstehungszeit

Gemeinde & Adresse

Gemeinde: Adelzhausen


86559 Burgadelzhausen

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