Vor etlichen Jahren saßen eines Abends die Aulzhauser Bauern im Wirtshaus beisammen. Das Bier floss reichlich und die Reden flossen auch. Da wurde geschimpft und gelobt.
Nicht genug Worte finden konnte der Kastlbauer über die Pracht und die Kraft seines Stieres. Immer wieder betonte er: "Den müsstet ihr sehn! Den müsstet ihr sehn!" Sein Tischnachbar meinte: "Bring ihn halt her!" Der Gaßler fiel ein: "Dös traut er sich niet!" Und der Bergschuster trumpfte auf: "Wenn du ihn bringst, deinen Stier, dann kriegst fünfzig Mark!" Alle lachten und spotteten: "Der Sprüchmacher traut si net!" Der Kastlbauer aber prahlte: "Ihr werdet es scho sehn! I trau mi scho!"
Still verließ er das Wirtshaus, schlich an seinem Wohnhaus vorbei - er hatte eine strenge "Alte" - und betrat den Stall. Der Stier war bestimmt recht verwundert, als er so mitten in der Nacht an seinem Nasenring gepackt, an die Kette genommen und aus dem Stall herausgeführt wurde.
Im Wirtshaus indessen dachten sie schon längst nicht mehr an ihre seltsame Wette. Da tat sich plötzlich die Türe auf und ein mächtiger Stier stand in der Stube. Das Tier senkte seinen Schädel mit den bedrohlichen Hörnern, seine Augen glitzerten im Lampenlicht. Der Bretterboden begann unter dem gewaltigen Gewicht zu ächzen.
Die fröhlichen Zecher wurden blass und ließen ihre Bierkrüge sinken. Alle dachten nur an eines: Flucht! Aber vor dem Ausgang stand ja dieses Ungetüm aufgepflanzt. Durch die ziemlich kleinen Fenster flohen die Wirtshausbesucher der Reihe nach ins Freie. Es sollten auch "Stadterer" dabei gewesen sein, die es besonders eilig hatten.
Der Kastlbauer genoss diesen Anblick und führte dann seinen Stier zurück in den Stall. Am nächsten Morgen wurde im Dorf recht gelacht. Der Kastlbauer war der "Held des Tages". Von seiner "Alten" jedoch bekam er einen Riesenkrach. Um die versprochenen "fünfzig Märker" musste er aber noch kämpfen. Es heißt, er hätte nur "zwanzig Märker" bekommen der Rest sei in Naturalien (Gerstensaft) abgegolten worden.
| Bezug | Aulzhausen |
| kurze Inhaltsbeschreibung | Die Geschichte berichtet von einem Bauern in Aulzhausen, der so stolz auf einen prächtigen Stier war, dass er ihn ins Wirtshaus zum Stammtisch brachte |
| Anmerkung | Quelle: Karl Christl und Franz Xaver Riedl: Sagen und Erzählungen aus dem Landkreis Aichach-Friedberg, Aichach 1988 |
Gemeinde: Affing
86444 Aulzhausen