Der Schimmel ohne Kopf

Der Mesner von Hohenried, da bei Alsmoos, hatte einmal einen Riesenschrecken.
Mitten in der Nacht, ich weiss nicht, wars im Sommer oder Winter, läuteten plötzlich in der Kirche die Glocken. Ja zum Teufel, was ist los? Der Mesner fuhr aus dem Stroh und rannte im kurzen, leinenen Hemd vors Haus und sah zur Kirche hin, die ja wenige Schritte von seinem Haus entfernt steht. Wo brennt es? Wer läutet da? Aber schon war es wieder gar. Nur ein paar Glockenschläge baumelten noch in die mondhelle Nacht. Ja jetzt! Unfug auch noch! Aber wer wollte denn so mitten bei der Nacht auf den Berg rauf, so abseits und entlegen! Aber wenn man das doch in der Umgebung gehört hätte und für Alarm gehalten hätte? Das alles und noch viel mehr schoss auf einmal dem Mesner durch den Kopf, als er die wenigen Schritte zum Kirchlein stapfte. Aber da hätte es ihn bald umgerissen. Als er das eiserne Tor zum Friedhof öffnete, trabte ein Schimmel ohne Kopf hinten zur Kirchentür heraus, setzte mit einem schönen Sprung über die niedrige Mauer und verschwand drüben im Wald. Da machte der Mesner kehrt und lief, so schnell ihn seine alten Beine trugen und der steile, winkelige Weg es erlaubte, so wie er war, ins Dorf hinab. „Nachbar hilf!" schrie er vorm ersten Kammerfenster und vor noch ein paar anderen. Mit den Männern, die wohl alle das eigenartige Läuten gehört hatten und auch nicht recht wussten, was los war, hastete er nun wieder den Berg hinauf. Den Schimmel fanden sie aber nicht mehr, obwohl sie seinen tiefen Spuren durch die weichen Wiesen bis zum Walde nachgingen.