Als im Spanischen Erbfolgekrieg die Kroaten, Slowaken und Panduren unser Bayernland heimsuchten und alles, was sie nicht wegschleppen konnten, in Schutt und Asche legten, kamen die Soldaten, denen Furcht und Angst als Wegbereiter vorauseilten, auch von Freienried her nach Eurasburg. Da ließen die Rehrosbacher Haus und Hof im Stich und verbargen sich mit Kind und Kegel und ihrem Vieh im Landmannsdorfer Holz. Dort verkrochen sie sich hinter Wall und Graben im Dickicht und stellten ringsum bewaffnete Männer als Wachen auf.
Als letzter verließ der Unterbauer das Dorf und seinen Hof. Aber erst dann, als er gewiss wusste, dass alle Rehrosbacher längst in ihrem Versteck im Wald waren. Die Flammen von dem in Brand gesteckten Eurasburg schlugen bereits zum Himmel und eine dicke Rauchwolke hing über dem Dorf. Da schleppte der Unterbauer eine eiserne Kiste aus dem Schlafzimmer. Ausgerechnet in diesem Augenblick lief ihm der Oberknecht über den Weg. "Was willst du noch da? Ich hab g'moant, du hilfst im Holz drausst aufpassen und das Vieh hüat'n? Geh weiter, kimm her und hilf min trag'n!" Die beiden packten an. "Teifi, Teifi! Des is aber schwer", entfuhr es dem Oberknecht. Kostbarkeiten des reichen Unterbauern lagen darin. Schmuck, Ringe, Halsketten und die kostbaren Geschnüre seines Eheweibes, die sie mit in die Ehe gebracht hatte, nicht zu reden von dem, was sich seit Generationen an Geschmeide auf dem Hofe befand.
Das alles schleppten jetzt die beiden in der eisernen Kiste zum Brunnen. Die Golddukaten, Kronen und Marientaler klimperten lustig, so dass der Oberknecht bald merkte, was er da tragen half. Nun waren sie an dem tiefen Brunnen angelangt. Da hörten sie schon das Klappern der Pferdehufe. Schnell warfen sie die Truhe in den Brunnen hinunter, dass das Wasser hoch aufplatschte. Die Pferdehufe klangen immer näher. Sogleich machten sie sich aus dem Staube, um den heranstürmenden Horden nicht in die Hände zu fallen.
Den Knecht aber ließ die Habgier nachts nicht schlafen. Unruhig wälzte er sich auf dem Lager hin und her. Dann erhob er sich leise, schlüpfte in sein Gewand und schlich ins Dorf. Als er sah, dass die Soldaten den Hof verlassen hatten und die Luft sauber war, huschte er beim Schein der brennenden Gebäude zum Brunnen. Es gelang ihm, ein Seil um die Kiste zu schlingen und sie langsam hochzuziehen. Da lachte sein Herz, als er an das viele Geld dachte. Die Gier sah ihm aus den Augen, und er malte sich aus, was er mit dem Gelde anfangen würde: "Ha! Einen Hof kaufen! Nicht mehr Knecht sein! Den Bauern spielen! Gold! Gold!"
Rundherum knisterten gespenstisch die Flammen. Schatten tanzten hin und her. Und die Flammen züngelten wie glühende Schlangen zum Himmel. Langsam näherte sich die Kiste dem Brunnenrand. Auf einmal schien ihm, als ob die Last schwerer würde. Mit Leibeskräften zog und zog er. Aber er brachte die Truhe kein Stück mehr weiter hoch.
Plötzlich neigte sich die Hauswand und stürzte krachend zu Boden. Schwarzer Rauch hüllte den Knecht ein und Tausende von glühenden Funken wirbelten um ihn herum. Der Schweiß
tropfte ihm von der Stirn, die Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. Die Kiste wurde schwerer und schwerer, als ob jemand mit Macht daran zöge. Neugierig beugte sich der Knecht über den Brunnenrand, um nachzuschauen, was eigentlich los sei. Voller Entsetzen schrie er auf. Auf der Kiste saß der Leibhaftige mit Hörnern, Bocksbeinen und Schwanz und schnitt eine entsetzlich hässliche Grimasse. Der Oberknecht war wie gelähmt und konnte keinen Schritt mehr tun. Schon schnellte der Gehörnte los, packte ihn an den Haaren und riss ihn hinab in die Tiefe. Plumps! Das Wasser gurgelte abscheulich und schlug über ihm zusammen.
Einige Leute wollten über den Hof nach Norden ein schreckliches Ungetüm Biegen gesehen haben. Als der Unterbauer heimkehrte, fand er im Brunnen die verstümmelte Leiche seines treulosen Knechtes.
| Karl Christl und Franz Xaver Riedl: Sagen und Erzählungen aus dem Landkreis Aichach-Friedberg, Aichach 1988 | |
| Anmerkung | |
| Entstehung | |
| Verfasser bzw. Erfasser | Karl Christl und Franz Xaver Riedl |
| Bezug | |
| kurze Inhaltsbeschreibung | |
| Entstehungszeit |
Gemeinde: Eurasburg
Rehrosbach