Der Geist mit dem roten Käpplein

Auf dem Schloss Scherneck, das so wunderbar von mächtigen jahrhunderte alten Linden beschattet wird, ging einmal ein Geist um. Wie er eigentlich aussah, weiß man nicht so recht. Aber dass er ein knallrotes Käpplein trug, das weiß noch jedes Kind.
Auf jeden Fall war es ein eigener Geist. Der Tag ist ja nicht gerade eine Zeit für Gespenster. Ihr Tag ist die Nacht. Aber der Geist mit dem roten Käpplein war anders. Einmal entdeckten ihn die Burgbewohner auf dem Schlossturm. Da lugte er zwischen den Zinnen hervor. Dann aber war er wieder im Pferdestall, huschte zwischen den Rössern herum, dass sie ganz unruhig wurden und zornig schnaubten. Kam dann der Knecht, um die Tiere zu beschwichtigen, war der Spuk vorbei. Gesehen hat den bösen Kobold trotzdem niemand. Aber er war da.
Man wusste es einfach, dass er da war. Ganz schlimm trieb es der Geist im Rinderstall. Plötzlich brüllten die Kühe am frühen Nachmittag in ganz schrecklicher Weise. Der Oberknecht ließ alles liegen und stehen und rannte verstört in den Stall. War da ein Durcheinander! Das ganze Vieh war losgekettet. Die Kälber hüpften mit vier Beinen zugleich in die Höhe. Hühner und Gänse flatterten wild umher und schimpften aufgeregt. Der arme Bursche wusste nicht gleich, wo zuerst anfangen. Irgendwo in einer Stallecke ertönte ein böses Lachen. "Du ärgerst mich nicht!" rief der Knecht zornig und griff zu einem Stallbesen. Aber er kam nicht weit. Plötzlich fuhr er, als ob er von unsichtbarer Hand Prügel bekäme, mit den Händen ins Leere, krümmte vor Schmerz seinen Buckel und hielt den Kopf mit beiden Händen. Vor Schrecken zitterte er am ganzen Körper. Zu guter Letzt flog der arme Kerl im hohen Bogen über den Barren und landete in einem Misthaufen.
Heute freilich ist es auf Schloss Scherneck ruhig. Der Geist mit dem roten Käpplein lässt sich nie mehr sehen und narrt auch keinen Stallknecht mehr.