Es soll in Sielenbach gewesen sein, ist aber schon lange, lange her und um den Heiligen Abend herum war es.
Das ganze Hofgesinde freute sich schon auf Weihnachten. Zwar gut war es damals bei uns nicht, in jedem Haus kein Lichterbaum, aber doch war das nun einmal so eine geheimnisvolle Zeit. Schon Tage vorher saß man in der großen Stube beisammen am Abend. Der Bauer, wenn er zu Hause war, saß auf der mit Leder gepolsterten Bank hinterm Ofen und die Bäuerin thronte in ihrem Lehnstuhl, dessen Lederbezug mit blitzblanken Messingnägeln beschlagen war. Der Fußschemel war dieselbe Arbeit. Die Mägde spannen, dass die Rädlein surrten, und die Knechte schnitten Späne aus dem harzigen Kiefernholz, lange, die dann die Stube spärlich beleuchten mussten, und die massige Balkendecke richtig schwärzten. Unter der Bank girrte der Wildtäuberich im Schlaf und die Katze rollte unterm Ofen, in dem die langen Scheite knisterten. Dieweilen rieselte draußen der Schnee, dass am Morgen alles seine Haube aufhatte, der Gumper wie der Kobel'. Alles war weiß und alles Herbe war weich geworden unter der kalten Decke.
So richtige Abende zum Plauschen waren es. Der Bauer freilich hatte es nicht gerne, wenn von Hexen und Gespenstern gesprochen wurde. Nicht, dass es ihm gruselte, nein, aber das Volk der Weiberleut war dann immer nimmer zu haben, wenn sie nachts in den Stall oder gleich gar den Fuß über die Straße setzen sollten.
War er aber nicht zuhause, dann haspelten sie förmlich ihr Wissen, dass sie wieder vom Ahndl hatten, hervor. Und da geschah es eines Abends, dass die Bäuerin Ruhe gebot und nun erzählte: "Es war so um die Zeit wie jetzt. Die Rauhnächte standen bevor. Abseits stand ein einzelner, großer Hof, hier in unserer Nähe. Da hatten auch die Bäuerin und die Ehehalten' sich des Abends zusammengefunden, um zu plaudern neben der Arbeit. Die Bäuerin war in dieser Zeit aber nie recht zum Sprechen zu bewegen. Man spürte, dass sie irgendwas drückte. Eines Tages nun rückte sie endlich mit der Stimme heraus und erzählte, dass der Bauer am Heiligen Abend allerlei Teufelsspuk im Rossstall treibe.
Nun war natürlich alles in vollster Erwartung. Der Heilige Abend brach an. Der Bauer richtete Korn her, nur schönes und gutes und dürres holte er vom Speicher und immer murmelte er vor sich hin: Wenn nur die Mette vorüber wäre. Was werden die Pferde mir wohl erzählen?
Ihr müsst nämlich wissen: Gibt man den Pferden zur Mettenzeit Korn, das sonst doch nur den Menschen zusteht, dann können sie sprechen und erzählen vom Glück und Unglück, das über den Hof und die Menschen darauf kommt.
Der Bauer nun legte sich, während alle zur Mette gingen, unter den Pferdebarren, nicht aber bevor er den Pferden das Korn hineingeschüttet hatte. Ob er ein Hexenbüchlein dabei hatte - früher hatten nämlich viele Leute ein solches - das weiß ich nicht mehr. Aber er brauchte gar nicht lange zu warten, da ging ein Tuscheln und Flüstern an und ein Raunen. Die Pferde sprachen. Er konnte wohl nicht gleich alles verstehen, zudem noch allerlei andere Gestalten auftauchten in eigenartiger Kleidung. Da war ein Jäger mit der Lanze, dem war der Kopf verkehrt aufgesetzt und ein anderer mit zweierlei Hosenbeinen und bombastischen Ärmeln, die mit bunter Seide gefüttert waren und sich bauschig pluderten. Der trug an seinen eigenen goldblonden Haaren seinen Kopf in der Hand. Und da war ein anderer mit einem schweren Ledergoller und langen Stulpstiefeln. Der hatte aber einen Geißenkopf auf. Und dazu strichen Katzen mit grün schillernden Augen herum und Hunde und sonst noch allerlei Getier, das ganz greulich anzusehen war.
Endlich verstand der Bauer dann auch das Sprechen der Pferde. 'Im nächsten Jahr', so sagten sie, 'steht uns böse Arbeit bevor. Da werden wir einen Wagen zum Dorfe fahren. Der wird mit jungen Tonnenboschen geschmückt sein und an denen werden schwarze Schleifen hängen. Auf dem Wagen aber wird ein schwerer eichener Sarg liegen und da drin wird unser Bauer schlafen für ewige Zeiten. Und die Bäuerin und die Kinder werden weinen und alle Leute. Das werden wohl schlimme Zeiten für uns.
Dem Bauern, dem schon vordem nicht mehr wohl unterm Barren war, trat der kalte Schweiß aus den Poren. Er war blass und eingefallen, dass die Backenknochen breit hervorstanden. Noch als die Bäuerin mit den Ehehalten von der Mette kam, saß er mit stierem Blick und klappernden Zähnen auf der Ofenbank. Sein Haar war in der knappen Stunde kitzgrau geworden.
Das nächste Weihnachten hat er nicht mehr erlebt. Er lag schon lange am Friedhof." Lange war es totenstill in der Stube, selbst das Schnurren der Katzen und das Surren der Mädchen war nicht mehr zu hören. Bis plötzlich ein schwerer Seufzer von der Kücheldirn die grausame Stille unterbrach. "Und nun will ich auch Ähnliches erzählen" sagte sie und fing an:
"Meine Großmutter erzählte, es sei in Rehling passiert, im vorigen Jahr aber habe ich die Geschichte so ähnlich in Kühbach gehört. Alles war so, wie es die Bäuerin uns gerade erzählte. Ob die gruseligen Mannsleut und die Viehzeug gekommen sind, hat sie mir aber nie erzählt.
Der Bauer wollte seinem furchtbaren Schicksal entgehen und in derselben Nacht noch sagte er in der Kammer zur Bäuerin: Wir werden den Hof verkaufen und in die Stadt ziehen, dann kann der Spruch nicht in Erfüllung gehen. Und das taten sie dann auch. Bald waren sie mit einem anderen handelseins geworden und der Verkauf wurde abgeschlossen.
Jetzt wohnten der Bauer und die Bäuerin in der Stadt. Viel Zeit hatten sie da und Muße und oft gingen sie spazieren. Da schlenderten sie auch eines Tages an einem Haus vorbei. Über dessen Tor war ein steinernes Pferd so eingelassen, dass es nur noch zur Hälfte heraussah aus dem Mauerwerk. Und just dieses Pferd fiel gerade in dem Augenblick herunter auf die Straße, als der Bauer unterm Tor ging. Der schwere Steinblock hatte ihn auf der Stelle erschlagen und der Spruch der Pferde war doch, wenn auch in anderer Art, zur Wahrheit geworden."
Und wieder, als die Magd mit ihrer Geschichte geendet hatte, war alles totenstill. Der Span war so weit abgebrannt, dass die Flammen schon am Klemmer waren und im Ofen knisterte kein Holz mehr. Tiefe Nacht war es geworden und ohne, dass die Bäuerin hierzu jemanden auffordern musste, schlichen die Mägde in ihre Kammern und die Knechte gingen in den Rossstall. Immer schon waren sie stolz auf die Braunen und Schwarzen, die Jungen und Alten. Nun aber sahen sie sie fast so scheu an wie Heilige.
| Karl Christl und Franz Xaver Riedl: Sagen und Erzählungen aus dem Landkreis Aichach-Friedberg, Aichach 1988 | |
| Anmerkung | |
| Entstehung | |
| Verfasser bzw. Erfasser | Karl Christl und Franz Xaver Riedl |
| Bezug | |
| kurze Inhaltsbeschreibung | |
| Entstehungszeit |
Gemeinde: Sielenbach
86577 Sielenbach